Basis 4: Selbstbestimmtes und triebhaftes Handeln

Es gibt ein aktives, produktives, kreatives, durch den eigenen Willen gesteuertes Handeln und es gibt ein passives, triebhaftes durch Impulse gesteuertes Handeln.

Was ist der Unterschied zwischen dem Willen eines Menschen und seinem spontanen Impuls? Ein „spontaner Impuls“ ist irgendein Wunsch, der von alleine und ohne strukturelle Verbindung zur Gesamtpersönlichkeit und deren Zielen auftaucht. (Bei Kleinkindern sind spontane Impulse ein normales Verhaltensmuster.) Der Wunsch selbst – auch der flüchtigste oder ein irrationaler – verlangt nach seiner Erfüllung; ihn zu übergehen oder ihn aufzuschieben, wird als Zuwiderhandlung gegen die eigene Freiheit empfunden. Es ist ein allgemeines Merkmal eines spontanen Impulses, dass er auf die Frage „Warum nicht?“ und nicht etwa auf die Frage „Warum“ antwortet. Dieses „Warum denn nicht“ besagt nämlich, dass es keinen Grund gibt, es nicht zu tun, und nicht etwa, weil es einen Grund gäbe, es zu tun. Es ist ein spontaner Impuls und nicht Zeugnis eines Willens. Bei einem Einkauf im Supermarkt kann es zum Beispiel vorkommen, dass man viel mehr einkauft, als man eigentlich wollte (man lässt sich durch Werbung beeinflussen oder durch verlockende Angebote. Die heutige kapitalistische Gesellschaft stellt das Ausleben der „Impulse“ in den Mittelpunkt und lässt uns gleichzeitig glauben, dass wir „frei“ sind).

Einem spontanen Impuls zu folgen, resultiert aus einer tiefen inneren Passivität, gemischt mit dem Wunsch, der Langeweile zu entfliehen. Ein spontaner Entwurf gründet sich auf Passivität; Wille hingegen auf innerer Aktivität. Der Wille zeichnet den Menschen aus und gibt ihm Selbstbewusstsein. Durch Meditation ist es zum Beispiel möglich, mit dem Unterbewusstsein, das die Rahmenbedingungen für unseren Willen darstellt, in einen näheren und freundlicheren Kontakt zu treten. Dadurch lernt man es besser kennen und es wird der bewussten Kontrolle leichter zugänglich. Indem so das aus dem Unterbewussten auftauchende Unberechenbare, Unzulängliche und Unlenksame eingeschränkt wird, erhält Selbstvertrauen und Selbsthilfe eine tiefer gesicherte Basis. > Impulskontrolle

[Quelle: Erich Fromm, Vom Haben zum Sein, Berlin 2013 (7.Auflage), S. 44f., S. 73]

Unter produktivem, selbstbestimmten Tätigsein sind hier keine Handlungen zu verstehen, die durch Triebe oder durch das zwanghafte Bedürfnis, auf eine bestimmte Weise zu handeln zustande kommen. Es geht vielmehr um den freien und tätigen Ausdruck der eigenen Fähigkeiten, die nicht zweckorientiert und damit ein Zeichen vollendeter Freiheit sind. In der Kunst wird ein dieser Freiheit entsprechendes Tätigsein möglich.

[Inputs aus: Erich Fromm, Vom Sein zum Haben, Berlin 2013 (7.Auflage), S. 145]

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